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Schreibprobleme

Unsere Schrift hat mit Lauten zu tun. Für unterschiedliche Laute gibt es unterschiedliche Buchstaben. Im Normalfall sollte für jeden Laut im Wort ein Buchstabe stehen, aber das passt nicht immer. Wir haben im Deutschen zu wenig Buchstaben für die gesprochenen Laute, unser Alphabet reicht nicht aus. Manche Laute stehen daher ohne eigenen Buchstaben da. Um diese Laute zu bezeichnen, behelfen wir uns mit Buchstabenkombinationen.

Zum Beispiel stehen die Buchstaben c und h verbunden zum ch für einen Laut, der keinen eigenen Buchstaben hat. Im Griechischen gibt es dafür den Buchstaben „x “, das Chi . Unser Alphabet stammt aus dem Lateinischen, das keinen ch -Laut kannte. Als die Römer ihr lateinisches Alphabet aus dem Griechischen übernahmen, verwendeten sie den Buchstaben x neu und verbanden ihn mit der Lautfolge ks wie in ex oder dextra . Wir kopierten mit dem lateinischen Alphabet diese Lautbedeutung des x . Der ch-Laut aber, den wir wie die Griechen benutzen, blieb ohne eigenen Buchstaben. Daher kombinieren wir c und h , um den Laut aufschreiben zu können.

Das ch ist auch deswegen interessant, weil es verschieden ausgesprochen wird, einmal weiter im Rachen, daher rauer, wie in Achtung oder Woche , anders weiter vorn und damit glatter, wie in Licht . In vielen Wörtern stehen uns beide Formen der Artikulation wahlweise zur Verfügung; hier gibt es auch regionale und lokale Vorlieben.

Wir sehen daran, dass die Buchstabenkombination ch für eine bestimmte Bandbreite oder recht unterschiedliche Sprechweisen eines Lautes steht. Das gleiche gilt auch für eine Reihe von Konsonanten, die, je nachdem, mit welchem Vokal sie verbunden werden, anders lauten. Man vergleiche die Sprechweisen des n in winken und Winter .

Unterschiedlich ausgesprochen wird auch das r , das vorne mit der Zungenspitze gerollt oder hinten im Rachen mit dem Zäpfchen erzeugt wird. Buchstaben markieren also nicht Laute im Verhältnis von 1 zu 1. Das Verhältnis kann 1 zu 2, wie hier beim r , oder 3 zu 1, wie beim sch , ausfallen. Das sch braucht ja drei Buchstaben, um einen einzelnen Laut auszudrücken. Bei ch steht es 2 zu 2, zwei Buchstaben stehen für zwei ausgesprochene Laute.

An dieser Stelle tritt also die erste Schwierigkeit auf. Wir schreiben nicht einfach Buchstaben, wie sie lauten. Buchstaben können sich, je nach Verwendung, unterschiedlich anhören.

Von der anderen Seite her wird das Problem noch größer. Nicht nur werden Buchstaben unterschiedlich ausgesprochen und verwendet, auch besitzen Laute nicht immer eindeutige Buchstaben. Gleiche Laute werden also keineswegs durch immer die gleichen Buchstaben geschrieben. Die meisten Laute werden durch unterschiedliche Buchstaben wiedergegeben oder durch verschiedene Buchstabenkombinationen.

Zum Beispiel kann das lateinische x im Deutschen auch chs geschrieben werden (Hexe-Echse ) oder cks (Kleckse ) und sogar ks (koksen ). Das z kann tz oder ts geschrieben werden (Mieze , Katze , Lotse ), wobei das ts die einsichtige Variante ist, da es hier um die beiden Laute t und s geht, die nacheinander ausgesprochen werden. Dennoch ist das ts am seltensten im Gebrauch.

Ein Buchstabe hat also oft mehrere Lautwerte, ein Laut mehrere Buchstabenwerte. Uns Erwachsenen und Kundigen der Schrift ist das in der Regel nicht mehr bewusst. Wir denken einfach in Buchstaben und halten sie für lautgetreu. Eine Ausnahme bildet für uns nur die Fremdwortschreibung. Hier können ganz verschiedene Buchstaben gebraucht werden, zum Beispiel v für w (Vitamin ), ph für f (Phantom ), y für ü (Acryl ), ea oder ee für ie (Team , Jeep ), oo für u (cool ) und viele andere mehr.

Für Kinder im Grundschulalter ist bereits die Schreibweise deutscher Worte ein Problem. Sie können die Zuordnung der Laute zu Buchstaben nur schätzen. Sie müssen erst lernen, dass man Freude nicht Froide schreibt, obwohl oi dem gemeinten Laut näher kommt als eu . Der Satz „Wier ham hunga“ ist lautgerecht geschrieben, nur orthografisch falsch. Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass das Kind zu sehr Umgangssprache schreibt, weshalb es auf die Versionen von ham und hunga kommt, aber in Wirklichkeit reden wir so – und könnten unser Reden auch so aufschreiben, haben uns aber für andere Varianten entschieden.

Das Kind muss die lautlich möglichen Buchstabenverwendungen von den orthografisch gültigen unterscheiden und darf nur die gültigen anwenden. Deshalb ist das Schreiben von Lauten nicht so einfach, wie es scheint. Dennoch erlernen die meisten Kinder die anerkannten Buchstabenverbindungen für bestimmte Laute bald auswendig. Die anderen legen sie ab.

Schwieriger – und für viele schreibschwache Schüler ist das eine gar unüberwindliche Hürde – gestaltet sich die Schreibweise des kurzen und des langen Vokals. Wir haben nur fünf Vokalbuchstaben: a, e, i, o, u . Diese Buchstaben stehen für zwei Formen der Aussprache: einerseits kurz, andererseits lang. Unterschiedlich sind zum Beispiel das a in Wal (lang) und das a in All (kurz).

Die Vokallänge oder -kürze kann wegen des Mangels an Buchstaben nicht direkt verschriftlicht werden. Sie wird durch eine Buchstabenkombination abgebildet. Hinter dem eigentlichen Vokalbuchstaben bekommen die folgenden Konsonanten eine besondere Bedeutung. Ihre Position hinter dem Vokalbuchstaben gibt die Länge oder Kürze des gesprochenen Vokals an.

Da es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, gestaltet sich die Bezeichnung der Vokallänge bzw. -kürze kompliziert. Sie wird geradezu kodiert. Wir konzentrieren uns auf die Vollworte und ihren Stamm. Wie lauten die Kombinationen?

Nach kurzem Vokal stehen fast immer zwei Konsonantenbuchstaben (Rand ; Bild ). Wenn wir nach kurzem Vokal nur einen konsonantischen Laut hören, schreiben wir trotzdem zwei Konsonantenbuchstaben hin, nämlich zwei gleiche (renn en, Tipp ).

Der lange Vokal wird meist von einem Konsonanten „verfolgt“, so dass er sich im Schriftbild vom kurzen Vokal unterscheidet (sag en, red en, hol en ). Darüber hinaus wird das lange i fast immer ie geschrieben (sie gen, Sie b ). Schließlich wird in einer Reihe von Worten ein h nach dem langen Vokal eingefügt (wüh len, neh men ).

Das heißt, da das h ein Konsonant ist, sieht ein solches Wort mit Langvokal so ähnlich aus wie ein Wort mit Kurzvokal, da dem Kurzvokal ja immer zwei Konsonanten folgen. Die Kombination mit dem h ist speziell, aber vom Grundsatz her der Markierung des kurzen Vokals verwandt. Folglich haben viele Schüler Schwierigkeiten beim Erlernen dieses Prinzips.

Zur weiteren Verwirrung wechselt die Markierung des Langvokals mit h oder ohne. Es gibt keine verlässliche Regel, nach der das h gesetzt wird, nur komplizierte Ausschlussverfahren. Wie soll ein Schüler also den Langvokal vom anders geschriebenen Langvokal unterscheiden? Er kann es nicht. Er kann das geschriebene Wort nicht lautlich herleiten.

Wir lernen das Schreiben nach dem Alphabet. Die Buchstaben des Alphabets kann man aussprechen, so scheint die Sache klar. Ein Wort setzt sich aus Buchstaben zusammen; diese kann ich aussprechen.

Da die Vokalbuchstaben keinen Unterschied zwischen Lang- und Kurzvokal machen, machen viele Schüler auch keinen Unterschied; sie können es nicht, sie hören nicht, ob der Vokal kurz oder lang ist. Sie hören wohl das Wort, sind aber nicht in der Lage, die Laute zu isolieren, die keinen eigenen Buchstaben haben, und so verbirgt sich ihnen die ganze Unterscheidung von Lang- und Kurzvokal und deren komplizierte Codierung in der Schrift. Sie möchten die Laute direkt in Buchstaben wiedergeben, haben das mit der Konsonantenverdopplung und dem h nicht verstanden, weil es indirekte Bezeichnungen sind. So schreiben sie rennen und reden , wenn es glückt, aber auch rehnen und redden und renen und rehden . Da sie verwirrt sind, wissen sie nicht, wo genau das h stehen muss, also ginge auch redhen – hört sich nicht schlecht an, könnte passen.

Das ist sehr verständlich, und es ist enorm schwierig, sich von der Schriftvorlage zu lösen, um ein Wort rein lautlich zu analysieren, für Schüler wie für Lehrer. Lehrer bringen darum den Schülern die Lautung nach dem Alphabet bei, was hoffnungslos falsch ist, aber eben normal für Schriftmenschen, deren Wahrnehmung vom Alphabet geprägt ist. Lehrer wie Eltern glauben an die Mär von der eindeutigen Laut-Buchstaben-Zuordnung. Den Schülern wird etwas Falsches beigebracht – die Lehrer merken gar nicht, wovon sie reden.

Hätten Sie’s gewusst? War für Sie nicht ein e ein e , egal, ob in Esel oder Quelle ? Aber die Laute sind nicht gleich! Ehsl und Quälle , das wäre annäherndes Lau­t­schreiben ! Den Kindern aber sagen Lehrer und Eltern: Hör hin! Das ist ein e !

So verstehen die Kleinen nur, dass sie etwas falsch gemacht haben. Sie werden verunsichert. Gezwungen, dem didaktischen Rat zu folgen, müssen sie Worte nach Lauten konstruieren. Dabei geraten sie sofort in Schwierigkeiten. Sie vertauschen e und ä , weil es lautlich möglich ist, fügen ein h hinzu, wo es hinkommen könnte – wo war das noch mal? – und gelangen zu einem Buchstabensalat anstelle von Schriftworten. Beugen sie sich der schulischen Autorität, dann verlieren sie ihre Intuition.

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25.04.2024 - 17:47:43 | Warum Lautschreibung nicht funktioniert